Ortsvorsteher Alfons Gartner bei seiner Ansprache am 16. November 2014 auf dem Stupfericher Friedhof
Fotos: Siegfried Becker
Videobeitrag Medienwerkstatt Stupferich.org
Kamera und Schnitt: Siegfried Becker
Der Volkstrauertag wurde 1919 vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge als Gedenktag für die gefallenen deutschen Soldaten des Ersten Weltkrieges vorgeschlagen. 1922 fand die erste Gedenkstunde im Reichstag statt. 1926 wurde entschieden, den Volkstrauertag regelmäßig am Sonntag Reminiscere (fünfter Sonntag vor Ostern) zu begehen.
Der Volkstrauertag wurde erstmals am 28. Februar 1926 begangen. Überall fanden Gedenkfeiern für die deutschen Gefallenen des Ersten Weltkriegs statt. Die Cellesche Zeitung berichtete in ihrer Ausgabe vom 27. Februar 1926:
„Volkstrauertag! Der erste deutsche Volkstrauertag soll in erster Linie dem Ehrengedenken unserer im Weltkriege gefallenen Väter, Brüder und Söhne gewidmet sein. Es ist nur zu wünschen, daß sich diese ernste Feier recht tief und fest und feierlich, auch ohne viele Reden und Gesänge, aus dem ureigenen deutschen und menschlichen Empfinden heraus geltend macht in den Herzen des ganzen Volkes.“
– Cellesche Zeitung: Den Gefallenen.
In der Weimarer Republik wurde der Volkstrauertag nicht zum gesetzlichen Feiertag erklärt. Dies hatte mehrere Ursachen:
In der Weimarer Verfassung war nicht klar definiert, ob die Zuständigkeit für die Einführung gesetzlicher Feiertage beim Reich oder den Ländern lag. Dies führte im Laufe der Jahre zu unterschiedlichen Regelungen, Terminen und Durchführungen je nach Land.
Hinsichtlich des Termins gab es lange Zeit Konflikte mit den beiden großen Kirchen. Beide haben im November Gedenktage für die Verstorbenen (Allerseelen oder Totensonntag) . Vorgeschlagene Termine im Frühjahr am Sonntag Invocavit (sechs Wochen vor Ostern) oder am Sonntag Reminiscere (fünf Wochen vor Ostern) liegen jedoch in der Fastenzeit bzw. Passionszeit.
Die politische Instabilität der Weimarer Republik sorgte dafür, dass einige Versuche, den Volkstrauertag gesetzlich zu regeln, im Gesetzgebungsprozess stecken blieben, da der Reichstag mehrmals vorzeitig aufgelöst wurde.
Diskussion um den Sinn
Der Volksbund verband mit dem Volkstrauertag die Zielvorstellung, eine bei allen Deutschen einheitliche Erinnerung an das Leid des Krieges zu bewirken und so die Deutschen „über die Schranken der Partei, der Religion und der sozialen Stellung zusammen[zu]führen […], auf daß aus den Gräbern unserer fast zwei Millionen Gefallener uns Mut und Kraft zu segensreicher Arbeit an unseres Volkes und unseres Vaterlandes Zukunft erwachsen [kann].“ Viele Redner und Kommentatoren knüpften anlässlich des Volkstrauertages an die Tradition des „Burgfriedens“ und die Euphorie, die eine große Anzahl der Kriegsfreiwilligen im August 1914 erfasst hatte, an: „Was wußten sie von Klassenhaß, der heute unser Volk zerfleischt? Nicht rechts, nicht links gerichtet waren sie, sondern alle nur deutsche Brüder.“ Nicht zu übersehen war auch der Versuch, aus der Erinnerung an den Krieg neben dem Appell an die Einigkeit des Volkes die Botschaft zu vermitteln, dass es das höchste Ideal sei, alles für das Wohl Deutschlands zu opfern und seine eigenen Ansprüche zurückzustellen. So sprach der Hamburger Pastor Jähnisch auf der zentralen Gedenkfeier auf dem Ohlsdorfer Friedhof 1926: „Unsere Toten mahnen. Und darauf kommt es an. Horche jeder auf den Geist der Toten und bekenne sich zu ihnen: Selber riefst du einst in Kugelgüssen: Deutschland muß leben und wenn wir sterben müssen!“
Diese Zielsetzung und die zum Teil offen republikfeindlichen Reden auf den Kundgebungen bewirkten eine mangelnde Identifizierung großer Teile der Bevölkerung, insbesondere der Anhänger der Republik sowie der Kommunisten, mit dem Volkstrauertag. So betitelte die kommunistische Zeitung Der Abend aus Hamburg einen Kommentar mit der Überschrift „Volkstrauertag – Kriegshetzertag““. Doch auch diese Gruppen versuchten wie der Volksbund, über ihre Äußerungen das kollektive Gedächtnis und die Identität der Deutschen zu beeinflussen. Sie nutzten den Volkstrauertag für wiederholte Appelle zur Friedensbereitschaft: „Wir geloben, alles daran zu setzen, daß sich ein solcher Krieg nicht wiederholt.“ sprach bei der Hamburger Trauerfeier 1928 ein Vertreter der Jungdemokraten. Und die Vereinigung ehemaliger Kriegsgefangener erklärte 1927: „Mögen diese Toten […] die Saatkörner sein, die der Welt den ersehnten ewigen Frieden geben.“
Wie unterschiedlich auch die Zielvorstellungen der einzelnen Gruppierungen waren, alle nahmen sie für sich in Anspruch, den „Geist“ bzw. die „Botschaft“ aller Gefallenen zu kennen und für die Gegenwart interpretieren zu können. Auf diese Weise wurde das Ziel, an diesem Tag alle Deutschen in der Trauer zu einigen, jedoch verfehlt. Deshalb blieb auch die aktive Beteiligung an den Feierlichkeiten zu den Volkstrauertagen weitgehend auf Mitglieder des konservativen und nationalliberalen Milieus beschränkt. Das linke Milieu zeigte sich zunehmend distanziert bis ablehnend und auch das linksliberale Milieu äußerte sich kritisch über die republikfeindlichen Töne und das Hochhalten der Kriegsbegeisterung vom August 1914. Eine minimale Einigkeit bestand allenfalls darin, dass keine Gruppierung die generelle Notwendigkeit bestritt, an die Gefallenen und die Opfer des Ersten Weltkriegs zu erinnern. Alle waren sich einig, dass der Erste Weltkrieg ein einschneidendes und tiefgreifendes Ereignis in der Geschichte Deutschlands war. Nur über die Bewertung dieses Ereignisses und die zu ziehenden Konsequenzen bestand Uneinigkeit.
Heldengedenktag in der Zeit des Nationalsozialismus
Heldengedenktag 1940 in Berlin: Hitler schreitet die Front der Ehrenformation der Wehrmacht ab. Hinter ihm von links: Generaloberst Keitel, Generaloberst v. Brauchitsch, GroßadmiralRaeder und Generalfeldmarschall Göring (verdeckt), hinter Generaloberst Keitel General der Infanterie Reinhardt.
Die Nationalsozialisten übernahmen den Volkstrauertag und legten ihn als staatlichen Feiertag fest. Gedenktag war nun der zweite Fastensonntag. Mit dem Gesetz über die Feiertage vom 27. Februar 1934 wurde er in Heldengedenktag umbenannt und sein Charakter alsdann vollständig verändert: Nicht mehr Totengedenken sollte im Mittelpunkt stehen, sondern Heldenverehrung. Träger waren die Wehrmacht und die NSDAP. Propagandaminister Joseph Goebbels erließ die Richtlinien über Inhalt und Durchführung.
Die Propagandawirkung des Tages wurde so hoch eingeschätzt, dass alle entscheidenden Schritte der Kriegsvorbereitung bis einschließlich 1939 auf ein Datum in unmittelbarer Nähe zum Heldengedenktag gelegt wurden:
1935: Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht einen Tag vorher
1936: Remilitarisierung des Rheinlands einen Tag vorher
1938: Einmarsch deutscher Truppen nach Österreich einen Tag vorher
1939: Zerschlagung der Rest-Tschechei drei Tage nachher
Am 25. Februar 1939 verlegte Hitler per Erlass den Heldengedenktag auf den 16. März, den Tag der Wiedereinführung der Wehrpflicht 1935, wenn dieser Tag auf einen Sonntag fiel. Wenn nicht, sollte er am Sonntag vor dem 16. März begangen werden. Damit wurde die Bindung an die Christliche Zeitrechnung aufgegeben. Die Flaggen wurden nicht mehr wie bislang auf halbmast gehisst, sondern vollstock gesetzt. Der letzte Heldengedenktag wurde 1945 begangen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde 1948 in den drei westlichen Besatzungszonen die Tradition des Volkstrauertages wieder in der alten Form aufgenommen und nach der Gründung der Bundesrepublik fortgeführt. In der DDR wurde ein „Internationaler Gedenktag für die Opfer des faschistischen Terrors und Kampftag gegen Faschismus und imperialistischen Krieg“ eingeführt. 1950 fand die erste zentrale Veranstaltung des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge im Bundestag in Bonn statt.
In Abgrenzung zur Tradition des Heldengedenktages wurde 1952 beschlossen, den Volkstrauertag an das Ende des Kirchenjahres zu verlegen; diese Zeit wird theologisch durch die Themen Tod, Zeit und Ewigkeit dominiert. Gedacht wird der „Toten zweier Kriege an den Fronten und in der Heimat“, an die Opfer der Gewaltherrschaft aller Nationen. Die offiziellen Reden bilden gewöhnlich auch den Anlass für geschichtspolitische Stellungnahmen von Politikern und namhaften Vertretern der Öffentlichkeit. In der Regel handelt es sich dabei um unspezifische Mahnungen zur Versöhnung, zur Verständigung und zum Frieden.
Die kirchliche Bezeichnung des Sonntags lautet nicht „Volkstrauertag“, sondern in der evangelischen Kirche Vorletzter Sonntag des Kirchenjahres, in der katholischen Kirche 33. Sonntag im Jahreskreis.
In rechtsextremen Kreisen in der Bundesrepublik Deutschland wird der Begriff Heldengedenktag jedoch in bewusster Abgrenzung von dieser offiziellen thematischen Ausrichtung weiterhin verwendet.
Gedenkstunde
Die zentrale Gedenkstunde zum Volkstrauertag findet jeweils im Deutschen Bundestag statt. Eine Rede und ein Wort des Bundespräsidenten in Anwesenheit des Bundeskanzlers, des Kabinetts und des Diplomatischen Corps ist üblich, ebenso die musikalische Gestaltung, das Spielen der Nationalhymne und des Liedes Der gute Kamerad.
Angelehnt an die Form der zentralen Gedenkstunde werden in allen Bundesländern und den meisten Städten und Gemeinden ebenfalls Gedenkstunden mit Kranzniederlegungen durchgeführt.