Stupfericher Sauschwänzle - Jahrestreffen 2009

Erstellt am Sonntag, 26. Juli 2009 18:42
Geschrieben von Samuel Degen


Foto: Samuel Degen. Zu meiner Fotogalerie hier klicken


Mit einem stattlich alten Gründungsjahr kann der Stupfericher Verein mit dem etwas sperrigen Namen "Interessengemeinschaft Freunde Alter Landmaschinen Sauschwänzle-Stupferich 2005" zwar nicht aufwarten. Dafür sind die Maschinen der Mitglieder umso älter.

Um die 70 aktive Mitglieder zählt er nun mit in Summe über 90 motorbetriebenen Landmaschinen. Und wenn die dann im Konvoi durch die Gassen ziehen, ist das schon ein absoluter Hingucker.

So wieder geschehen am gestrigen Samstag. Um 17 Uhr sammelten sich die Sauschwänzles samt ihrer zum teil mächtigen Maschinen am Kriegerdenkmal. Auf meinen nach erst 10 Jahren Stupferich unbedarften Einwand, dass ich außer dem Brunnen und dem Heimatmuseum hier weit und breit kein Denkmal sehen würde, erklärte man mir, dass das Kriegerdenkmal vom Stupfericher Friedhof früher hier gestanden hatte und deshalb dieser Platz bei den Alteingesessenen inoffiziell immer noch so heißen würde.

Sonores knattern und brummen von Motoren näherte sich also von allen Seiten dem Kriegerdenkmal, so dass der Platz dann schon zunehmend enger wurde. Ein Claas Mähdrescher Baujahr 1965 war dann eindeutig allein dank seiner Größe der Platzhirsch. Voller Enthusiasmus hatten fünf Sauschwänzles vor zwei Jahren zusammengelegt und das Monstrum gekauft. Das ging dann des Preises wegen aber doch nicht ohne ernstere Diskussionen in den betroffenen Familien ab. Aber es hat sich gelohnt da doch schon der schiere Anblick das Herz der bekennenden Technikfans höher schlagen lässt.

Endlich ging es los. In abgesprochener Reihenfolge startete der Konvoi zur Dorfrundfahrt. Mittendrin sogar ein gebürtiger Schwabe, der mangels badischer Flagge kurzerhand die Deutschlandflagge gehisst hatte. Aber für ihn als Überläufer ist sein gut plazierter Aufkleber auf seinem Bulldog mit klarem Bekenntnis zum Badentum ein nicht zu verachtendes Dokument. Zudem hatte er vor vielen Jahren eine waschechte Stupfericherin geehelicht. Trotz seiner Wurzeln im schwäbischen "Feindesland" ist er ein guter Kerl, also ist auch er dabei. Und der Mähdrescher? Der fuhr dank seines geübten Fahrers im Indiana Jones Look mit unglaublicher Präszison durch die Gassen, so dass manchmal kaum eine Handbeit zwischen dem Mähwerk und parkendem Blech passte.

So ging es rings um und mitten durch Stupferich. Passanten winkten, Kinder lachten. Zum Glück durfte ich an der Spitze des Konvois, beim Peter, auf dessen Bulldog mitfahren. So hatte ich eine gute Posistion, um rückwärtsgewandt doch das eine oder andere Foto vom Konvoi zu machen.

Ziel war die Wiese vom Stupfericher Urgestein Bruno in der Gerberastrasse. Da wartete schon ein großes Zelt, der Grill war aufgebaut, das Bierfass bereits angestochen.Und dann kamen sie. Eine nach der anderen der laut tuckernden Landmaschinen parkte mehr oder weniger elegant rückwärts ein. Warmes Abendlicht von Westen brachte den alten Lack dieser Parade fast zum glühen, ein echter Hingucker. Und das im betagten Alter von im Schnitt schätzungsweise gut 50 Jahren. Nicht das der Vereinsmitglieder, nein, das derer Gefährte.

Das Anblasen mit dem Jagdhorn zum hissen der Vereinsfahne kündigte würdevoll den Beginn des Jahrestreffens an. Ohne Worte brachte dann der Gastgeber das inoffizielle Thema der Veranstaltung auf den Punkt. Auf seinem leuchtend orangenen T-Shirt stand groß und deutlich „Back Where We Belong“ was in etwa heißen soll wie „Zurück dahin wo wir hingehören“.
Also zurück „zur guten alten Zeit?“ Gab es die jemals? Oder sind wir die verwirrende und teils unmenschliche Hektik der heutigen Zeit so überdrüssig und sehnen uns zumindest nach den einfacheren Elementen des Zusammenlebens, von denen unsere Eltern und Großeltern schwärmten?
Das lies mich dann doch nicht los und ich fragte nach. Eine hier im Dorf geborene Frau  klärte mich dann auf. "Schinden haben wir uns müssen, ich als Kind, meine Elten und Großeltern und gar kein so schönes Leben haben wir gehabt. Ärmlich und einfach, unsere Kinder könnten sich das gar nicht mehr vorstellen". Das sei heute fast alles vergessen und das findet sie auch gut so. "Aber auch Wärme war da, Vertrautheit und eine Form von miteinander, die verlorengegangen ist". Ihr Mann wird, trotz des zwischenzeitlich verstrichenen viertel Jahrhunderts, nie vergessen, dass bei seiner Feldarbeit, genauer gesagt beim Säen,  ein auf dem Bulldog mitfahrendes Mädchen, während er nach hinten sah, vom  schmalen Sitz des Kotflügels nach unten rutschte und mit dem Kopf vornüber  fast den Erdboden berührte. Hätte er nicht geistesgegenwärtig sofort gebremst und wäre nicht genau an der Stelle eine Kuhle gewesen, hätte das Mädchen keine Chance gehabt. Seither nahm er niemals mehr jemand auf seinem Bulldog mit.

Und einer erzählt, dass das vergangene Jahr das schlimmste seines Lebens war. Therapie um Therapie war nötig, um ihn vom Krebs zu heilen. Da hat ihm während jener dunklen Wochen sein Vater einen Jugendtraum erfüllt und ihm einen alten Bulldog gekauft. Daß dieser nun der kleineste Traktor im ganzen Verein ist erfüllt ihn mit besonderem Stolz.

Geschichten hin, Geschehnisse her. Auf alle Fälle hatten sie, aus heutiger Sicht, bereits vor 50 Jahren tolle Maschinen hier in Stupferich. Aber auch hörte ich andere sagen, dass der eine oder andere Bulldog, da eine sündhaft teure Anschaffung, dann doch überwiegend zu dessen Schonung in der Scheuer stehenblieb während die harte Land- und Forstarbeit weiterhin von Hand verrichtet wurde.

Hubraum, Pferdestärken, Gewicht und Zustand, Diskussionsstoff also genug für die zahlreichen Besucher dieses Jahrestreffs. Aber auch das Geld spielte eine Rolle. So wurde zu ersten mal ein kleiner Obulus für Speis und Trank erhoben, um die Vereinskasse nicht gänzlich zu plündern.

Wie in der „guten alten Zeit“ wurde dann auch der Mitgliedsbeitrag bar erhoben. Vereinsvorstand Jochen öffnete an einem Tisch die Kasse und die Mitglieder standen Schlange, um bar zu zahlen. Das hat doch was, jenseits von der Anonymität des üblichen Bankenweges, so mit Handschlag, Blickkontakt und einem Schlückchen in ehren.

Als dann zu späterer Stunde das Lagerfeuer aufflackerte, war Romantik pur angesagt. Der Himmel färbte sich passend über dem Thomashof, dass es nur so eine Freude war. Noch bis in die Nacht gingen die Gespräche, bis dann die Mitglieder aus den Nachbardörfern mit laut tuckerndem Motor nach Hause fuhren.

Endlich Zeit, um gezielt nach weiteren Aktivitäten der Sauschwänzles zu fragen. Eine doch recht stattliche Liste konnte ich mir dann noch notieren:

Eine runde Sache, das mit den Stupfericher Sauschwänzlen. Bei einem 40. Geburtstag fanden 2005 alle Gäste die damalige spontane Ausfahrt mit zwei Treckern toll – die Idee von den Freunden der Landmaschinen war geboren. Und das ist auch gut so.